Warum es sich nach einem Verkehrsunfall lohnen kann, das Fahrzeug für sechs Monate weiter zu halten.
Es kann je nach Schadenshöhe empfehlenswert sein, das verunfallte Auto für weitere sechs Monate nach dem Unfall zu nutzen. Ist dies der Fall, kann unter Umständen eine höhere Entschädigung durch die Versicherung gefordert werden.
Mit der weiteren Benutzung über sechs Monate belegt man als Unfallgeschädigter, dass man einen Behaltewillen hat. Dieser Behaltewillen ist nötig, um Reparaturkosten geltend zu machen, die über dem Wiederbeschaffungsaufwand liegen.
Wann ist das Behalten für weitere sechs Monate relevant?
1) Bei fiktiver Abrechnung:
Wenn der Reparaturaufwand zwischen Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) und Wiederbeschaffungswert liegt. Der Geschädigte hat Anspruch auf die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten netto, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiter nutzt und falls erforderlich bis zur Verkehrssicherheit reparieren lässt (BGH, Urteil v. 29.04.2003, Az. VI ZR 393/02; Urteil v. 23.05.2006, Az. VI ZR 192/05; Urteil v. 29.04.2008, Az. VI ZR 220/07).
2) Bei konkreter Abrechnung:
Wenn die Reparaturkosten zzgl. einer etwaigen Wertminderung bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen. Die Reparaturkosten kann der Geschädigte nur verlangen, wenn er sein Fahrzeug vollständig und fachgerecht reparieren lässt und das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiter nutzt. Anderenfalls ist der Anspruch auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt (BGH, Urteil v. 15.02.2005, Az. VI ZR 172/04).
Zahlt die Versicherung ohne den Nachweis der sechs Monate nicht aus?
Der Bundesgerichtshof hat verbindlich festgelegt:
„Die Sechsmonatsfrist stellt keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung dar. Sie hat lediglich beweismäßige Bedeutung. Wird das beschädigte Fahrzeug sechs Monate nach dem Unfall weiter benutzt, so ist dies im Regelfall ein ausreichendes Indiz, um das Integritätsinteresse (das Interesse auf Erhalt und Reparatur des vertrauten Fahrzeugs) des Geschädigten; eine weiter gehende Bedeutung hinsichtlich der Fälligkeit des Anspruchs kommt der Frist nicht zu.“
Dies bedeutet, dass der Anspruch des Geschädigten damit schon vor Ablauf der sechs Monate fällig ist. Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann. Verlangt der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, tritt die Fälligkeit in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung ein.
Kann die Versicherung nach sechs Monaten einen Nachweis fordern?
Die gegnerische Haftpflichtversicherung kann nach Ablauf der sechs Monate die Vorlage einer Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I (früher: Fahrzeugschein) verlangen. Kann der Geschädigte diese nicht vorlegen, fällt er auf den Anspruch auf den Wiederbeschaffungsaufwand zurück und die Versicherung hat einen Rückforderungsanspruch des zu viel bezahlten Betrags.
Relevanz für die Werkstatt
Der Kunde sollte auf die sechsmonatige Behaltefrist hingewiesen werden. Andernfalls besteht für den Kunden bei einer freiwilligen Nutzungsaufgabe des Fahrzeugs vor Ablauf dieser Frist ein Rückforderungsanspruch der gegnerischen Haftpflichtversicherung. Diese kann die Differenz zwischen den Reparaturkosten und dem Wiederbeschaffungsaufwand zurückfordern.
Relevanz für den Sachverständigen
Es ist nichts zu beachten.
Relevanz für den Unfallgeschädigten
Der Unfallgeschädigte sollte je nach Abrechnungsvariante darauf hingewiesen werden, dass der weitere Erhalt des Fahrzeuges notwendig ist. Andernfalls verschenkt der Unfallgeschädigte bares Geld oder setzt sich dem Risiko einer Rückforderung durch die Versicherung aus.
Fazit:
Die 6 Monate Regel kann den Schadensersatzanspruch des Unfallgeschädigten vergrößern.
Damit die Regel genutzt werden kann, sind jedoch mehrere Voraussetzungen nötig.
Wenden Sie sich daher rechtzeitig an uns als Rechtsanwalt für Verkehrsrecht.
Wir beraten Sie ausführlich über Ihre Möglichkeiten.
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